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Münzfunde aus Nienover und Münzen der
Grafen: Politik und Wirtschaftsgeschichte im 13. JH
Münzfund mit
Prägungen von 1248 bis 1270/77 - Denare aus Höxter/Corvey, Helmarshausen,
Hofgeismar, Warburg, Volkmarsen und Brilon, Penny aus Canterbury und
Brakteaten aus dem Weserraum sowie Mecklenburg
Bei den archäologischen Ausgrabungen in der Stadtwüstung Nienover fanden
sich bisher 24 mittelalterliche Silbermünzen. Diese vermitteln Einblicke
in Aspekte des Geldumlaufs, die anhand der wenigen aussagekräftigen
Schriftquellen allein kaum zu gewinnen sind. 22 Münzen stammen aus einem
flachen Keller, der bei der letzten kriegerischen Zerstörung der Stadt
verbrannte. Die Münzen präzisieren das Datum des Ereignisses, das anhand
der Keramik nur mit etwas mehr Spielraum einzugrenzen wäre auf nach 1263
und kaum nach 1277. Die Mehrzahl der Münzen stammt von Bischof Simon von
Paderborn. Dieser war im gesamten Gebiet der Diozöse zu der Nienover
gehörte als Territorialherr sehr aktiv und war lange Zeit Schutzherr des
Stiftes Corvey. Von dort stammten allein 8 Denare mit dem Bischofsnamen,
also mehr als ein Drittel der Münzen in dem Fundkomplex. Eine weitere
Münze Simons stammt aus Hofgeismar, der wichtigsten Stadt des Mainzer
Erzbischofs nördlich von Kassel, aus Warburg, der zweiten Hauptstadt des
Bistums Paderborn und aus Volkmarsen, einer nicht unbedeutenden Corveyer
Stadt. Wenn noch, was sehr wahrscheinlich ist, zwei Brakteaten
(papierdünne, einseitige Prägungen) mit dem Kopf eines Abtes oder Bischof
aus Corvey oder Höxter stammen, ist etwa die Hälfte der Münzen den damals
bedeutendsten Orten im Oberweserraum zuzuordnen und bis zu zwei Drittel
sind Prägung des Bischofs. Man kann dies mit einer ausgesprochenen
Orientierung Nienovers nach Westen, insbesondere nach Westfalen begründen.
Es könnte jedoch auch ein besonderer Anlaß diese Tendenz verstärkt haben.
Etwa 1269 verkaufte Graf Ludolf von Dassel die Grafschaft
Meiser-Schartenberg nördlich von Kassel (Zierenberg) an Bischof Simon und
fast zur gleichen Zeit die Grafschaftsrechte im Gebiet um den
Reinhardswald und die Diemel-Essel-Senke an den Mainzer Erzbischof.
Eine einzelne Münze stammt aus Brilon im kölnischen Sauerland. Bis 1230
besassen die Dasseler die nahgelegene Grafschaft Hocken und die Vogtei
inklusive Kloster Grafschaft, mithin liegt auch hier ein Zusammenhang mit
alten Beziehungen und Besitzungen der Stadtherren nahe. Ein weiterer Denar
stammt aus Helmarshausen (Abt Conrad) er ahmt englische Sterlinge nach.
Daß dieses Gepräge aus der Nienover am höchsten gelegenen älteren Stadt
vor Ort geläufig war, legt der Fund eines bisher unbekannten Hälblings des
gleichen Typs auf einem Straßenpflaster nahe dem Westtor nahe. Sogar
englische Sterlinge liefen in Nienover um, wie das Exemplar aus Lauterburg
von 1248 belegt.
Ein Brakteat mit Widderkopf im Perlkranz war bisher unbekannt. Er könnte
aus Mecklenburg stammen, aber z.B. auch das Wappen des Corveyer Abtes
zeigen, denn die Ausführung ähnelt dem o. g. Stück mit Bischofskopf.
Schließlich fand sich noch in einem weiteren Keller ein Brakteat des Abtes
Conrad von Helmstadt ( 1259-1267). Die Münzfunde aus Nienover werfen ein
Schlaglicht auf den Münzumlauf einer kleinen Stadt in der Mitte des
13.Jahrhunderts. Übereinstimmend mit der politischen Ausrichtung der
Grafen dominieren Prägungen aus dem westlich gelegten
kölnisch-westfälischen Währungsgebiet. Sogar die für den Oberweserraum in
jener Zeit wichtigen Handelsverbinungen nach England sind belegt. Die
wenigen Brakteaten manifestieren die Lage im Grenzgebiet zu Niedersachsen.
Der Helmstädter Brakteat ist ein bemerkenswertes Dokument von Beziehungen
nach Nordosten. Jedoch fehlen alle sonstigen Gepräge aus dem benachbarten
Südniedersachen und Hessen. Alle in Nienover gefundenen Münzen sind
selten, mehrere waren bisher unbekannt. Feinwaagen und ein Gewicht (1/2
Loth der Kölner Mark) dienten u.a. dem Goldverkehr in einem Grenzgebiet
verschiedener Währung.
Silberbrakteat eines
Grafen Adolf von Dassel und Nienover aus der Zeit 1230 - Im Bogen des
Stadttores das Hirschgeweihwappen der Grafen von Dassel - gefunden in
Corvey
Unter den Münzfunden aus Nienover unterscheiden sich die wenigen den Grafen
von Dassel zugeordneten Brakteaten recht deutlich. Es spricht einiges
dafür, daß die gräfliche Prägetätigkeit um 1250 bereits eingestellt war,
und sich auf einen relativ kurzen Zeitraum um 1200-1240 beschränkte, da
sie vorher und nachher keinen Gewinn abzuwerfen versprach. Mehrere
Brakteaten der Zeit 1210-30 mit Reiterdarstellung nach
thüringisch-hessischem Vorbild werden infolge des Beizeichens Hirschgeweih
dem Grafen von Dassel zugeordnet. Ein um 1230/40 entstandener Brakteat mit
einer Stadtarchitektur wohl nach Hildesheimer Vorbild, aber dem Dasseler
Wappen und der Umschrift ADOLFVS ist besonders hervorzuheben. Es ist
durchaus möglich, daß weitere schrifltose Brakteaten ohne Beizeichen
gräfliche Prägungen sind, und daß Neufunde bisher unbekannte Stücke zutage
fördern. Es fällt im Gegensatz zu den in Nienover gefundenen Münzen auf,
daß ausschließlich Brakteaten belegt sind. Ungesichert ist weiterhin der
oder die Prägeorte. Theoretisch kommen Dassel, Markoldendorf, Northeim,
Nienover und Schartenberg in Betracht. In Anbetracht der Bedeutung
Nienovers als gräfliche Hauptresidenz wird diese favorisiert (Edelmetallverarbeitung ist nachgewiesen) - ohne die anderen Orte auszuschliessen. Es ist durchaus eine Emmission an mehreren Marktorten
denkbar. Eine Wertrelation zur Moderne ist schwer herzustellen.
Lebensmittel und Textilien etwa waren wesentlich teurer als heute, Löhne
erheblich geringer. Von einem Bauernhof durchschnittlicher Größe waren
z.B. 18 Denare als jährliche Pacht abzuliefern. Städtische Grundzinsen
betrugen oft zwischen 2-12 Denaren, je nach Parzellengröße.
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